Athos ist das Herz der Orthodoxie, ein Refugium, in dem das Alte wichtiger ist als das Neue. Der Tagesablauf schwingt im Rhythmus liturgischer Gesänge und Gebete, in denen das untergegangene Byzanz vor allem im Zeitgefühl der dort lebenden Mönche fortlebt. Ihr Alltag zeigt eine Existenz jenseits dieser Welt.

Synopsis

Die Halbinsel Athos in Griechenland ist eines der letzten Geheimnisse Europas: schäumende Wellen, dichte Kastanienwälder, ein Heiliger Berg - Zugang für Frauen untersagt, Touristen und Besucher nicht erwünscht. Nur Pilger erhalten wenige Tage Zeit, Athos zu entdecken. Die 1000 Jahre alte Mönchsrepublik, die einzige weltweit, zieht immer wieder Menschen an, die ihren spirituellen Hunger stillen wollen - unter ihnen Prinz Charles und Wladimir Putin, die mehrfach und unerkannt von Kloster zu Kloster gepilgert sind.

Die Landschaft und die Beobachtung der Mönche sind das Tableau für Metaebenen. Dabei geht es um zwei wesentliche Botschaften: Zeit für das Leben und Respekt für den Menschen. An beiden scheint es in unserer Welt zu fehlen. Von den Athos-Mönchen kann man lernen, größere Fenster in unsere Häuser einzubauen, um Licht und Luft, Liebe und Leben hereinzulassen.

Athos hebt vom Klosterleben in Mitteleuropa die Reinheit seiner Tradition ab (das Herz der Orthodoxie), seine Lage am Berg (ein vorchristlicher Zauberberg), seine Abgeschiedenheit (Zugang per Schiff, Visumspflicht, nur Männer), sein Mikrokosmos (Mönche mit vielen Nationalitäten, Berufen, Motiven). Es gibt nirgendwo auf der Welt einen dieser Klosterrepublik vergleichbaren Ort.

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Regiestatement

Peter Bardehle

Unser westliches Leben ist geprägt von Erfolgsdruck, stetigem Lärm, hastigen Trends, schlechten Nachrichten und einem immer schneller werdenden Tempo, dem sich der Mensch in der modernen Gesellschaft fügen muss. Erfolg in der materiellen Welt ist zwar über kurze Distanz angenehm, bietet jedoch selten die erhoffte Erfüllung. Unser komplexes westliches Leben ist an der Grenze dessen angelangt, was Geist und Seele ertragen können. Wir haben immer mehr Möglichkeiten, Angebote und Freiheiten, können sie aber nicht genießen und empfinden uns selbst als gehetzt, gefangen und unfrei.

Selten haben so viele junge Menschen ihre Sehnsucht nach Spiritualität auf dem Jakobsweg, in indischen Ashrams, in Altötting oder auf anderen Pilgerwegen zu stillen gesucht. Es ist keine Weltflucht, sondern Ausdruck einer neuen Nachdenklichkeit in einer immer schneller getakteten Welt, die der Entfaltung der Seele, des Geistes oder einfach nur der Gemeinschaft wenig Raum lässt.

Ein Leben in Askese und Demut scheint nicht in die heutige Zeit zu passen, gleichzeitig sehnen sich viele Menschen nach Respekt und einem Sinn für ihren Alltag. Nicht jeder kann und will Mönch werden, aber wir können von den Mönchen lernen und größere Fenster in unsere Häuser einbauen, um Licht und Luft hereinzulassen.

Auch auf Athos ist das Leben reglementiert, sogar sehr streng. Die Zeiten für das Aufstehen und das Essen sind gesetzt wie beim Militär, die Kleiderordnung ist streng. Jeder muss sich in die Rituale fügen. Das ist in vielen Klöstern so und auch der Sinn des Mönchtums. Was Athos abhebt vom bekannten Klosterleben in Mitteleuropa, ist die Reinheit seiner Tradition (Herz der Orthodoxie), seine Lage am Berg (wie ein vorchristlicher Zauberberg), seine Abgeschiedenheit (Zugang nur per Schiff, Visumspflicht, nur Männer), sein Mikrokosmos (Mönche mit vielen Nationalitäten, Berufen, Motiven). Es gibt nirgendwo auf der Welt einen der Klosterrepublik vergleichbaren Ort, und es hat hierüber noch nie einen Kinofilm gegeben. Dabei ist gerade das Kino geeignet, die spirituelle Faszination einzufangen, die einen modernen Menschen bewegt, Mönch zu werden. Der Film kann Lebenshilfe auch für andere bieten, ganz abgesehen von den Einblicken in den Kosmos Athos.

Ich habe schon mehrfach Exerzitien im Kloster und in vielen Klöstern Station gemacht, katholischen wie orthodoxen. Auf dem Athos hat mich erstaunt, dass nicht mehr- wie einst- Bauernjungen  Mönche werden, sondern Chirurgen aus New York oder Chemiker aus Hamburg, die als Endvierziger ihre Karrieren aufgeben und auf Athos neu anfangen, angelockt vom einfachen Leben, einer neuen Freiheit und der Magie tausendjähriger Rituale.

Diesen Zauber in einem unbekannten Stück Europa wollte ich in einem Film festhalten und erzählen. Wir mussten dabei behutsam und vorsichtig vorgehen, denn Filmkameras haben auf dem Berg Athos eigentlich keinen Platz. So konnten wir vieles nicht erzählen, weil die Mönche nicht bereit waren, sich vor der Kamera zu zeigen oder zu äußern. Wir haben diese Zurückhaltung in aller Freundschaft respektiert. Wir lassen den Film im Kino auch ohne Kommentar laufen, um den besonderen Takt des Orts einzufangen. Nur Mönche erzählen von sich und ihrer Welt, die für mich eines der letzten Geheimnisse Europas ist.


Peter Bardehle

 

Andreas Martin

Die autonome Mönchsrepublik Athos in Nordosten Griechenlands. Eine autonome Mönchsrepublik mitten in Europa? Ja, und das seit über 1000 Jahren. Abgeschottet vom Rest der Welt und wie aus der Zeit gefallen, wirkt dieser ganz besondere Ort. Eine geschlossene Männergesellschaft, die unsere materielle, selbstbezogene und von Terminen getaktete Welt auf den Kopf stellt. Ein Sehnsuchtsort für orthodoxe Christen und doch fast unbekannt im Westen Europas. Diesen unwirklichen Ort, das Leben, den Alltag und vor allem die Gedankenwelt der Bewohner zum ersten Mal in diesem Umfang, im wahrsten Sinne des Wortes, dokumentieren zu dürfen, fesselte mich von der ersten Minute an.

Soviel zur Theorie. Aber einen Dokumentarfilm in einem Land zu drehen, in dem Filmaufnahmen grundsätzlich nicht gestattet sind, stellte mich und das ganze Team vor teilweise unlösbare Schwierigkeiten. Erst einmal galt es, das Vertrauen der Mönche zu erarbeiten und sie von unserem Vorhaben zu überzeugen. Dass ich kein orthodoxer Christ bin, erleichterte das nicht unbedingt. Zum anderen kann man auf dem Athos wenig planen. Die Zeit auf dem Heiligen Berg bewegt sich in anderen Kategorien und man muss sich daran erst mal gewöhnen, dass sich nicht die Mönche nach irgendwelchen Produktionsplänen richten, sondern dass jene sich nach den Mönchen zu richten haben. Was nicht immer einfach ist, wenn am Ende auch ein Film heraus kommen soll. Stundenlanges Warten und kurzfristig abgesagte Treffen trieben uns alle manchmal an den Rand der Verzweiflung. Der Athos und seine Bewohner sind nicht gerade an Öffentlichkeit interessiert. Auf der anderen Seite erlebten wir genauso unvergessliche Momente voller Unterstützung und intensiven Gesprächen, vor und hinter der Kamera. Nach fast 2 Jahren Drehzeit, mit allen Höhen und Tiefen, drangen wir tief in das Leben dieses einzigartigen Ortes ein und versuchten diese Erfahrungen und Begegnungen in einem Film festzuhalten.

Ich glaube, dies ist uns gelungen und ich möchte allen Danken, die dazu beigetragen haben: Den Mönchen, die uns einen Blick in ihr Leben ermöglichten, den Äbten und Vorstehern der Skiten, die uns erlaubten auf ihrem Territorium zu drehen und ganz besonders dem Team, das mit enormen Engagement an diesem Film arbeitete und ihn erst ermöglicht hat.

 

Andreas Martin

Produzentenstatement

Kurt Langbein

Ich habe mit Peter Bardehle schon einige hochwertige TV-Dokumentationen koproduziert – etwa „Die Brücke von Mostar“ (Koproduktion mit ARTE, ORF 2003) und „Entdecker der Wellness“ (3x52 Minuten Koproduktion mit WDR, MDR, ARTE, ORF 2007). In den letzten Jahren hat er mit Dokumentarfilmen aus Luftaufnahmen über Regionen Deutschlands und die Alpen auch große Erfolge im Kino erreicht.

Mit dem Kino-Dokumentarfilm ATHOS – IM JENSEITS DIESER WELT sucht er nun als Regisseur und Produzent Spiritualität und Sinn fernab der Glücksversprechen der Moderne. Auf dieser Ebene will der Film zwei wesentliche Werte erlebbar machen: Zeit für das Leben und Respekt für den Menschen.

Die Sehnsucht vieler Menschen in der westlichen Welt gilt einem Ausbruch aus ihrem Alltag, der von Überangebot und Arbeitsdruck belastet ist. Die Mönche vom Berg Athos dagegen führen ein Leben nach einem anderen, über 1000 Jahre alten Kalender. Sie leben in Gemeinschaften, die von Liebe und Respekt gegenüber dem Nächsten geprägt sind. Geschäftsmänner aus dem Westen werden hier neben griechischen Bauern zu Novizen und Mönchen, um den Rest ihres irdischen Lebens in Kontemplation und dem Rhythmus der Klöster zu verbringen.

Diesen Weg und seine besondere Stimmung werden wir für die kurze Zeit eines Kinofilms erlebbar und hoffentlich nachvollziehbar machen: in der Betrachtung der Natur, dem ruhigen Genuss einfacher Tätigkeiten, in der Schönheit der Dinge. Um den Zuschauer tief in diese Welt eintauchen zu lassen, wird Peter Bardehle mit Mönchen als Protagonisten arbeiten, die ihre Gedanken und Gefühle erzählen. Wichtig ist aber, diese Ich-Erzähler nur behutsam zu Wort kommen zu lassen, damit die eigene Filmreise des Zuschauers selbst nicht gestört wird.

Der Erfolg von BROKEN SILENCE im Jahr 1997 und DIE GROSSE STILLE im Jahr 2006 – jeder mit über 200.000 Zuschauern allein in Deutschland belegt das Interesse der Zuschauer für Filme über den Kern des Lebens. Das Publikum geht nicht nur hierzulande für solche Filme ins Kino, auch im westlichen Ausland liefen die Filme im Kino, im Fernsehen und in den Video-Verkäufen sehr gut.

DIE GROSSE STILLE erreichte hohe Besucherzahlen bei einer Filmlänge von 164 Minuten – ein weiteres Indiz für die Kraft dieses Genres. Wir haben vor, mit einer Länge von 90 Minuten die Zuschauer zu berühren und zu entspannen.

Zielgruppen

Die Zielgruppen sind - ähnlich wie bei DIE GROSSE STILLE - über religiös Interessierte hinaus auch sinnsuchende Menschen. Eine aktuelle Studie der Universität Bielefeld untersucht das Verhältnis der Deutschen zu Religion und Spiritualität. Auffällig ist den Forschern zufolge, dass der Begriff „Spiritualität“ auch von Personen in Anspruch genommen wird, die noch nie einer Religionsgemeinschaft angehört haben oder aus Kirchen und Religionsgemeinschaften ausgetreten sind; darunter auch eine Minderheit, die sich ausdrücklich als Atheisten oder Agnostiker bezeichnen. Von den Teilnehmern an der Studie, die keine Religionszugehörigkeit angaben, definiert sich jeder Zweite als „eher spirituell als religiös.“ Weniger überraschend dagegen ist die Erkenntnis, dass „Spiritualität“ auch für eine Mehrheit derjenigen hohe Attraktivität besitzt, die einer Religionsgemeinschaft angehören.

Spiritualität kann als subjektiv erlebter Sinnhorizont beschrieben werden, der sowohl innerhalb als auch außerhalb traditioneller Religiosität verortet und damit allen – nicht nur religiösen – Menschen wichtig sein kann. Nach unserer Einschätzung zeigt auch der Erfolg von DIE GROSSE STILLE, dass spirituelle Themen – mit der Handschrift eines Autors umgesetzt – ein großes Publikum anziehen können.

Kino-Erfahrung von Vidicom

Die Kinofilme von Peter Bardehle fallen insbesondere durch ihre hochwertige Kamera-Ästhetik auf, die die Qualität eines echten Kino-Erlebnisses gewährleistet. ATHOS – IM JENSEITS DIESER WELT soll ebenfalls von solchen Bildern leben, die dem Zuschauer Anreiz bieten, an der Welt der Mönche teilzuhaben.

Schon DIE NORDSEE VON OBEN, der erste Kinofilm von Vidicom, erreichte diese visuelle Qualität. Der Dokumentarfilm wurde 2010 von Vidicom gemeinsam mit Comfilm produziert. Mit Hilfe des Lichts und ungewöhnlicher Perspektiven entstand mit NORDSEE nach Einschätzung der Presse ein „Kunstwerk eigener Art“ (Spiegel Online), eine noch nie gesehene  „Sublimierung der Landschaft“ (Kinowelt), die den Zuschauer „atemlos staunen“ lässt (ARD Tagesthemen).

DIE NORDSEE VON OBEN war in Deutschland ein Überraschungshit – der am zweithäufigsten besuchte Dokumentarfilm des Jahres 2011, der sich nur Wim Wenders „Pina" geschlagen geben musste. Er erreichte bis Februar 2012 mehr als 214.000 Kino-Besucher. Der Vertrieb auf DVD brachte fünfstellige Absatzzahlen. Über mehrere Monate wurde der Film täglich im deutschen Pavillon auf der EXPO 2012 in Südkorea gezeigt.

Aufbauend auf diesem Erfolg kam im Mai 2013 der zweite Kino-Dokumentarfilm von Vidicom und Comfilm ins Kino: DIE OSTSEE VON OBEN wurde vom selben Team produziert und erschien wie auch die NORDSEE VON OBEN im Selbstverleih. Ende 2013 stand DIE OSTSEE VON OBEN bei 100.000 Zuschauern in Deutschland.

Es folgten mit höherem Budget und etablierten Verleihern DIE ALPEN – UNSERE BERGE VON OBEN von Peter Bardehle und Sebastian Lindemann (Verleih: Alamode, mehr als 100.000 Besucher seit September 2013, davon 15.841 Kinobesucher in Österreich) sowie RHEINGOLD (AT) und BADEN-WÜRTTEMBERG VON OBEN, die ebenfalls die Referenzschwelle in Deutschland erreichten, die Zielmarke für erfolgreiche Dokumentarfilme.

 

Wien, 7.3.2016

 

Kurt Langbein

 

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Informationen zum Film

Athos - Im Jenseits dieser Welt

Ein Rhythmus aus schwingenden Tönen erfüllt die Dunkelheit der Gemäuer. Vereinzelt huschen Männer in schwarzen Mönchskutten durch die Flure. Das Simantron ruft die Lebenden und die Toten. Nach und nach füllt sich die Kirche und die riesigen, goldenen Kronleuchter werden entzündet - ein See aus warmen Licht flutet den dunklen Bau. Ein Mönch singt Psalm um Psalm, Stunde um Stunde. Sein Echo breitet sich über den gesamten Raum aus und mündet in Chorgesängen, die mit dem Einfall des ersten Sonnenlichts den Tag ankündigen. Um sechs Uhr morgens ist das Werk erfüllt, die Liturgie vollendet, die Nacht besiegt, ein neuer Tag am Athos willkommen geheißen. So geht das seit über 1000 Jahren. Seit dem Jahr 972 spielt sich im Kloster Vatopedi das immer gleiche Ritual ab.

 

Die Mönchsrepublik Athos bei Thessaloniki in Griechenland ist eines der letzten Geheimnisse Europas.

Auf dem gleichnamigen östlichen Finger der Halbinsel Chalkidikí lebt das 1453 untergegangene Byzanz fort - in den Mönchen, in ihrer Kunst und in ihren Riten. Es gilt der julianische Kalender und der doppelköpfige byzantinische Reichsadler ist allgegenwärtig. Das Reich zu Füßen des heiligen Bergs ist heute das letzte theokratische Staatsgebilde, geführt von einem Klosterparlament. Jedes der 20 Großklöster entsendet zwei Vertreter in die Hauptstadt Karyes. Sie vertreten dort die Interessen ihres Klosters.

Die Halbinsel ist das spirituelle Herz der Orthodoxie, ein Refugium, in dem das Alte wichtiger ist als das Neue. Und sie ist eine Oase der Stille. Knapp 350 Quadratkilometer dicht bewaldet, felsig und beinahe menschenleer. Manche behaupten, hier läge die Wiege des Christentums - jedenfalls findet sich hier ein Stück Paradies auf Erden.

 

In den vergangenen 1000 Jahren hat sich in dieser paradiesischen Landschaft eine Gemeinschaft gebildet, die ihre eigene Lebensart entwickelte – und behielt. Die byzantinischen Mönche, die sich damals auf dem Athos niederließen, orientierten sich an den Vorbildern der Asketen im alten Ägypten. Ihr Leben war puristisch - frei von allem, außer Gott. Als Unterkunft dienen einfache Häuser oder spartanische Mönchszellen in den Klöstern. Dort in den Klöstern und den ihnen angeschlossenen dörflichen Siedlungen, den Skiten und Zellen, leben nur Männer. Für Frauen ist der Zugang verboten – sogar für weibliche Tiere.

 

So unterschiedlich die Lebensformen der Mönche auf dem heiligen Berg sind, so unterschiedlich sind auch die Menschen. Ob im Großkloster, zu zweit oder zu dritt in einer Zelle, oder komplett abgeschieden als Eremit. Für was sich der einzelne entscheidet, bestimmt letztendlich sein Charakter oder wonach er auf der Suche ist. Heute leben etwa 3000 Mönche und mindestens ebenso viele zivile Arbeiter in dem kleinen Kirchenstaat.

 

Jeder Tag hat den gleichen Ablauf: Er beginnt um vier Uhr früh mit der Liturgie, die in eine große Messe mündet. Die ersten acht Stunden dienen der Ruhe. Die zweiten dem Gebet, die dritten der Arbeit. Der Tag endet mit dem Abendessen bei Sonnenuntergang. Schlaf brauchen die meisten Mönche kaum. Vater Philemon steht jeden Tag um 3 Uhr auf und bereitet die morgendliche Messe vor. Er ist der Priester der Klostergemeinschaft von Prophet Elias. Doch Priester ist nicht seine einzige Aufgabe im Klosterleben. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Pilger willkommen zu heißen, eine Erfrischung anzubieten und ihnen mit einer Engelsgeduld und noch mehr Humor die Schätze der gewaltigen Kirche zu zeigen. Sie ist eine der prächtigsten und größten auf dem Balkan und von russischen Mönchen gebaut. Die Mönche auf Athos gelten als eine der strengsten Bruderschaften in der orthodoxen Kirche. Verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit folgen sie ihren Regeln, die Hierarchie und Rangunterschiede betonen.  Durch die Slawenapostel Kyrill und Method fand der byzantinische Ritus im 9. und 10. Jahrhundert weite Verbreitung unter den slawischen Völkern. Bis heute leben auf Athos neben den Griechen auch bulgarische, rumänische, russische und serbische Klostergemeinschaften, die jede für sich Traditionen und Riten pflegt.

 

Ein orthodoxer Mönch des 21. Jahrhunderts lebt ähnlich bescheiden wie seine Brüder vor 1000 Jahren. Sie arbeiten als Ärzte, Ikonenmaler, Fischer, Bauern, Gärtner oder im Wein. Sie tragen schwere Bärte – gewachsen seit ihrem Eintritt – und schwarze Roben als Zeichen für ihren weltlichen Tod mit dem Eintritt ins Kloster.  Die Mönche besitzen nichts - außer ihrem Glauben. Und doch hüten sie weltliche Schätze von unermesslichem Wert. Jedes Kloster auf Athos nennt mindestens eine berühmte Reliquie oder andere, unwiederbringliche Werte sein Eigen: ein Holzstück aus dem Kreuz von Golgatha, Majuskelhandschriften des neuen Testaments, eine Wunder vollbringende Ikone aus dem Jahr 626 bis hin zum Altar einer abgelegenen Kapelle aus zwei Tonnen purem Gold - ein Geschenk des letzten russischen Zaren.

 

Nach dem Untergang des russischen Zarenreichs und mit der Gründung der Sowjetunion, begann auch der Niedergang des Athos. Der Großteil der Mönche aus den Sowjetrepubliken und später aus den sozialistischen Ländern mussten in die alte Heimat zurück und die Gemeinschaft begann zu schrumpfen. Der Geldfluss aus den meisten orthodoxen Ländern versiegte und viele der Klöster, Skiten und Zellen begannen zu verfallen. Das änderte sich erst wieder in den Neunziger Jahren. EU, UNESCO und das wiedererstarkte orthodoxe Russland verhalfen der Mönchsrepublik zu neuem Glanz. Die teilweise verfallenen Klöster und Skiten werden restauriert und von einer stetig steigenden Zahl von Mönchen wieder belebt - unter Ihnen viele junge.  So wie Vater Loukianos und Vater Filoumenos, die versuchen, die berühmte, halb eingefallene Skite „Axion Estin“ wieder bewohnbar zu machen und sich dort ein neues Leben aufzubauen. Die beiden Endzwanziger sind erst seit ein paar Monaten auf dem Athos. Als Novizen waren sie in einem Kloster draußen in der Welt, wie hier alles außerhalb des Athos genannt wird.

 

Vor ihrem weltlichen Tod, waren die beiden ganz normale junge Männer. Der eine spielte in einer Rockband in Thessaloniki, der andere stammt aus Rumänien und wollte eigentlich studieren. Doch in der Welt draußen, fanden sie keine Orientierung und Erfüllung. Sie gingen ins Kloster, wurden Freunde und beschlossen, zusammen auf den Athos zu gehen. Noch haben die beiden mit der neuen Heimat zu kämpfen, denn auf dem Athos laufen die Uhren anders, in jeglicher Hinsicht. Aber vor allem ist ihnen mulmig, wenn Sie an den bevorstehenden Winter denken. Gelingt es Ihnen das Dach wieder dicht zu bekommen? Schaffen Sie es die Wand zu stabilisieren, oder kracht sie zusammen? Wie werden Sie die Ruine beheizen? Es stehen Ihnen harte Jahre bevor. 

 

Die wahren Schätze allerdings liegen in der Tradition der Klosterrepublik und in ihren Geheimnissen, die diesen Ort so einzigartig machen. Am südlichen Ende der Halbinsel erhebt sich der 2033 m hohe Berg Athos, der umrahmt von Nebel im Himmel zu schweben scheint.

Auf dem Weg zu seinem Gipfel und an seinen steilen Südhängen haben sich dutzende, wenn nicht gar hunderte Eremiten niedergelassen. Genau weiß das niemand. Viele beschäftigen sich mit Ikonen, denn die Malerei ist – wie alle anderen Tätigkeiten auch – für die Mönche ein Gebet. Davon zeugen zahlreiche geheime Ikonen von höchster Qualität. Versteckt in kleinen Höhlen und Bergkapellen existieren unzählige auf der Insel. Die Ikonenmalerei in den Malerwerkstätten von Athos reicht in großer Tradition zurück bis ins Hochmittelalter. Eine der berühmtesten ist die kleine Malerwerkstatt der Daniel Bruderschaft. Ihre Ikonen hängen in Kirchen auf der ganzen Welt. Der Abt, Vater Daniel, kam hier selbst als junger Mann in die Bruderschaft und lernte die byzantinische Kunst von seinem geistigen Vater. Das war vor 60 Jahren. Seither lebt er in der Abgeschiedenheit, malt und unterrichtet die Novizen. Die Halbinsel ist bekannt für seine Kirchenarchitektur und Fresken. Die Ikonen werden im Gottesdienst geküsst und angebetet. Sie sind gleichzeitig Ausdruck des individuellen Glaubens.

 

Jeder Mönch am Berg Athos hat seine Aufgabe, die mit Hingabe als Gebet oder „Gottesdienst“ erledigt wird. Über die Jahrhunderte entstand so eine autonome Gemeinschaft, die losgelöst vom weltlichen Leben existieren kann. Über den Tod hinaus bleiben die Mönche mit dem Berg Athos verbunden - im eigenen Leichenhaus werden die Schädel der Toten aufbewahrt. Manche von ihnen sind mehrere hundert Jahre alt und zeugen von der langen Tradition der Glaubensgemeinschaft. In einer Truhe soll sogar die Hand Johannes des Täufers liegen.

Das Leben in der Mönchsrepublik bewegt sich langsam. Ausgebaute Straßen gibt es wenige, Mulis und Geländewagen sind die wichtigsten Transportmittel. Im südlichen Teil der Mönchsrepublik geht es nur noch mit dem Muli voran. Vater Gregorios geht tagtäglich mit seinen schwerbeladenen Mulis die steilen Pfade zu den in den Felshängen liegenden Skiten hinauf. Doch eine der obersten Tugenden, die ein Mönch mit sich bringen muss, ist Geduld.

 

Nicht jeder kann der Gemeinschaft zugehören - wer sich um einen Platz bewirbt, muss warten können: mindestens drei Jahre als Pilger, dann drei Jahre als Novize, dann erst die Weihe - dem Abschied vom weltlichen Leben für jeden Geistlichen. Mit der Weihe stirbt der Mensch zum ersten Mal, sagt der Mythos, so fällt das Warten auf den Tod später leichter.

 

Hinter den Klöstern wird Obst und Gemüse angebaut, die Mönche leben streng vegetarisch, nur hin und wieder bereichert Fisch den Speiseplan. In der Sonne trocknen Tonkrüge, in die Olivenöl gefüllt wird. Auch Wein wird auf Athos angebaut, den die Mönche aber nur an bestimmten Tagen trinken dürfen. Vater Epifanios hält davon nicht sehr viel, er hat seinen eigenen Kopf. Seit Jahren baut er „Roten“ an, der auch außerhalb des Athos seinen Absatz findet. Auch ansonsten ist er ein wenig anders, als seine Brüder. Er kocht für Gäste in Nobelhotels außerhalb des Athos, schreibt Kochbücher und in seiner Zelle geht es eher gesellig zu.

 

Der "Garten der Gottesmutter", so erzählt die Legende, war ein Geschenk Gottes an Maria. Zwar leben die Mönche hier unter sich, doch sind Frauen auf Athos immer "anwesend" - durch die Gottesmutter, die in den Gesängen und auch einigen Ikonen präsent ist. Maria soll der Legende nach als einzige Frau rechtmäßig die Insel betreten haben. Wie Frauen, haben auch Touristen auf Athos nichts zu suchen. Nur Pilger und Arbeiter dürfen die Welt der Mönche betreten. Zu erreichen ist die Republik nur über den Wasserweg. Die Landgrenze ist mit einer Mauer, Stacheldraht und Grenzpolizei gesichert. Um überhaupt in die Mönchsrepublik einreisen zu dürfen, bedarf es eines Visums, dem sogenannten Diamonitirion, das nur auf Einladung eines der Klöster ausgestellt wird.

 

Die Unabhängigkeit der Mönchsrepublik Athos gründet auf einem Erlass des Kaisers von Konstantinopel, der den Mönchen bis in alle Ewigkeit Souveränität versprach. Von der Außenwelt lässt man sich seither am Heiligen Berg nichts vorschreiben, denn der Erlass ist nach wie vor gültig. In Dafni, dem Haupthafen des Athos, weht neben der griechischen auch die Flagge des vor über 550 Jahren untergegangenen Byzantinischen Reiches. Die Namen seiner Kaiser werden beschworen, noch immer heißt hier Istanbul Konstantinopel, und wie gesagt: eine andere Zeit.

 

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